Burgenland first. Hans Peter Doskozil hat sich, so meinen auch etliche seiner Parteifreunde und Parteifreundinnen, mit seiner "Hans-Peter-zentristischen" Weltsicht zunehmend isoliert. Zumindest vorübergehend.

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Bemerkenswert ist die Ruhe in der Partei. Ist das als stille Zustimmung für Hans Peter Doskozil zu interpretieren, oder bedeutet es, dass die SPÖ nun froh ist, dass sich der Quergeist endlich auf sein Burgenland zurückzieht und seine führende Position in der Bundespartei als stellvertretender Parteivorsitzender abgibt? Es dürfte wohl Letzteres sein. Rundum ist ein leichtes Aufatmen unter den roten Genossen zu hören.

Aus der Bundesparteispitze und den Bundesländern ist aber auch am Tag, nachdem Doskozils "Abschiedsbrief" an die Bundesvorsitzende Pamela Rendi-Wagner publik wurde, nichts zu hören. Niemand will sich offiziell dazu äußern, niemand Öl ins Feuer gießen oder Doskozil nachträglich noch reizen.

Wie alle anderen roten Landesfürsten bleibt auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig in der Causa Doskozil äußerst zurückhaltend. Am Rande einer Pressekonferenz betonte er lediglich, dass die Anzahl der Stellvertreter von Rendi-Wagner als Bundesparteichefin beim Parteitag von 17 auf sechs Personen reduziert werde. Dass Doskozil auf eine Kandidatur verzichte, sei daher nachvollziehbar. Gefragt, ob er in puncto Öffnungen eher auf der Seite von Rendi-Wagner oder jener von Doskozil stehe, erklärte Ludwig lediglich: "Ich bin bei den Öffnungen im Team Sicherheit." Also bei Rendi-Wagner.

Die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle vermutet, dass der kommende Parteitag tatsächlich eine zentrale Rolle beim Rückzug Doskozils von der Bundesebene gespielt hat. "Er wollte sicher auch den Streichungen zuvorkommen. Es war eine Flucht nach vorne", sagt Stainer-Hämmerle.

Zu wenig Schulterklopfen

Als sein Hauptmotiv vermutet die Politologin: "Es geht um ihn und vielleicht um die SPÖ Burgenland, Rendi-Wagner geht es wiederum oft zu wenig um die SPÖ und mehr um das große Ganze, wie jetzt in der Pandemie zu sehen ist." Und es war wohl auch ein wenig Kränkung mit dabei. Doskozil hatte sich nach dem großen Erfolg bei der Landtagswahl im Vorjahr mehr Schulterklopfen und mehr Macht in der Parteihierarchie erwartet.

Aber auch wenn sich Doskozil vorerst zurückziehe – der "ewige Konflikt" in der SPÖ um die Migration bleibe auch weiterhin bestehen und da werde Doskozil weiter präsent sein, sagt Stainer-Hämmerle. Diese zwei Zugänge, einerseits der weltoffene, antirassistische Parteistrang, andererseits die vielen in der SPÖ, die Angst und Bedenken vor einer Zuwanderung hätten, ließen sich kaum vereinen.

In Off-Gesprächen mit SPÖ-Politikern ließ sich jedenfalls heraushören: Doskozil ist so ziemlich allein angekommen, er hat sich auch von seinen Gefolgsleuten in der Partei entfernt. "Ich bin ja inhaltlich oft bei ihm, aber er ist einfach kein Teamplayer, er will auch nicht wirklich diskutieren. Sein Stehsatz ist: Sachen werden mitgeteilt. Diskutieren können wir später."

Und über die Motivlage, warum sich Doskozil jetzt zurückzieht, gibt es auch wenig Zweifel. Da dürfte der kommende Parteitag, so auch die parteiinterne Interpretation, tatsächlich eine wesentliche Rolle spielen, heißt es. "Er muss sicher die Befürchtung haben, dass er am Parteitag gestrichen wird", sagt ein roter Landespolitiker. Aber nicht nur das, Ludwig hat es schon erwähnt: Die Zahl der Stellvertreter der Parteichefin Rendi-Wagner werden auf sechs reduziert. "Die Pam hat nur zwei Möglichkeiten: Sie nimmt ihn ganz bewusst herein oder nicht. Es wird das 'oder nicht' sein", sagt ein ebenfalls führender SPÖ-Politiker. Das wisse Doskozil.

Neue Frau an der Frauen-Spitze

Beschlossen wurde die Reduktion auf sechs Stellvertreter von Rendi-Wagner am Landesparteitag 2018 im Zuge einer Organisationsreform. Wie sich diese künftig zusammensetzen, ist noch nicht vorgegeben, es werde aber an einem "Modus" gearbeitet, heißt es aus der SPÖ. Aktuell sind alle Parteivorsitzenden der Länder – ausgenommen von Tirol – Stellvertreter. Durch die Reduktion wird sich jedenfalls auch ihre Präsenz reduzieren. Denn die einzige Fixstarterin für einen der sechs Posten ist die gewählte Vorsitzende der SPÖ-Frauenorganisation – aktuell Gabriele Heinisch-Hosek. Die neue Chefin der roten Frauen wird am Tag vor dem Parteitag gewählt. Da könnte es eine Überraschung geben. Die in Kinshasa geborene Wiener SPÖ-Gemeinderätin und Ärztin Mireille Ngosso bemüht sich nämlich um diese Funktion. Sie tritt gegen Eva-Maria Holzleitner, die von Heinisch-Hosek als deren Nachfolgerin vorgeschlagen wurde, an.

Um die restlichen fünf Stellvertreter, die eigentlich nur symbolische Macht in Händen haben und sonst keinerlei faktische Funktion ausüben, wird ohne Zweifel ein Gerangel losgehen. Als sicher gesetzt gelten nur der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und Kärntners Landeshauptmann Peter Kaiser.

Burgenland first

Herbert Oschep, jener Büroleiter und Berater von Doskozil, der schon Hans Niessl die innerparteilichen Kanten geschliffen hat, verspricht, dass man sich nun "in allererster Linie" ums Burgenland kümmern werde. "Hier stehen wir in der Verantwortung." Inhaltlich werde Doskozil keine Ruhe geben, denn: "Nur die SPÖ hat die Stärke, ein Gegengewicht zur unsozialen Politik der türkisen ÖVP und zur Lifestylepolitik der Grünen darzustellen und gleichzeitig eine echte Alternative zur polarisierenden FPÖ zu bieten."

Es gehe, meint Roland Fürst, Doskozils Parteimanager, also in erster Linie darum, zumindest in die Nähe von Gestaltungsmöglichkeit zu kommen. Und weil gesagt worden sei, Doskozil habe Angst davor gehabt, beim Parteitag zu viele Streichungen zu ernten, wenn er kandidieren würde, sagt er: "Lieber eine absolute Mehrheit bei der Bevölkerung als eine klare Mehrheit am Parteitag."

Rückzug nur vorläufig

Die Ruhe, die Doskozil der Bundespartei nicht geben will, verlangt er durchaus von den Seinen. Im Burgenland hat er die ohnehin schon recht straffe SPÖ-Landesgruppe noch einmal gestrafft. Allfällige Gegenstimmen werden allerdings nur hinter der Hand laut. Dort interpretiert man den spektakulären Rückzugsbrief mehr als Unmutsäußerung einer unverstandenen Leberwurst. Solche Rede mag ihrerseits die Folge einer Beleidigtheit sein. Aber zweifellos frönt Doskozil einer sehr Hans-Peter-zentristischen Weltsicht. Dass der angekündigte Rückzug ein tatsächlicher sei, glaubt in diesen pannonischen Ecken niemand. Eher im Gegenteil. (Oona Kroisleitner, Walter Müller, Wolfgang Weisgram, 27.4.2021)